Support like no one is watching
Support, der englische Begriff, umfasst mehr als das deutsche Helfen, er benennt zugleich das Unterstützen, Anfeuern und Auffangen, sowie das nicht nur, aber häufig auch finanzielle Unterfüttern und Fördern. Supporter können ebenso Förderer und Mäzene sein, wie „einfach“ ein Mensch, der nicht wegschaut, sondern einem anderen Menschen über die Straße hilft. Eine kleine Einführung.
Während dieser Tage viel von Vertrauen und Kultur, von Demokratie und Solidarität, von Leadership und Beziehungsdesign die Sprache ist, alles wichtige Ingredienzien unseres Selbstverständnisses als Gesellschaft mit Kulturtechniken, und zugleich so schwer definierbar wie einforderbar sind, ist Support, zumindest auf den ersten Blick klar umrissen: Ein Mensch, oder eine Gruppe von Menschen tut etwas, das einem anderen Menschen, oder einer anderen Gruppe von Menschen, hilft, sein oder ihr Ziel zu erreichen. Punkt. Manche tun das regelmäßig und ohne es zu merken, andere tun es bewusst, angekündigt und mit PR begleitet, und dazwischen gibt es diverse Nuancen. All das ist Support. Support hört erst da auf, wo einer der beiden oder beide Aspekte nicht stattfinden, d.h. wenn der Unterstützende nur sagt, dass er unterstützt, aber nichts tut. Oder wenn er etwas tut, das dem anderen nicht hilft. Und schließlich natürlich, wenn er statt dem anderen sich selbst hilft.
Tollerweise gibt es mannigfache, man möchte sagen, unendlich viele Möglichkeiten, anderen zu helfen. Viele davon lassen sich wiederholen oder als Routinen etablieren und gemeinsam bilden sie ein Grundrauschen, das trägt, auch wenn das Fahrwasser mal wieder etwas rauer. Dabei ist es maximal inklusiv: Man muss nicht reich sein, nicht gesund, nicht klug und auch nicht mächtig, Geschlecht, Herkunft und Größe sind unerheblich – helfen zu können ist kein Privileg. Dafür kommt es mit reichlich Nebenwirkungen: Es bildet soziales Kapital, fördert Empathie, Perspektiv-Vielfalt, es baut Sicherheit und Vertrauen aus und stärkt so den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Daher meine Lanze für den Support, so als Einstieg, um mal wieder ins Tun zu kommen, ins positive und damit zu den Vorteilen, die es natürlich für den Helfenden mit sich bringt: Vom erleichternden Gefühl, der Ohnmacht zu entkommen, über das stärkende Gefühl, etwas Gutes zu tun, und damit Teil der Lösung zu sein, bis hin zu den nachweislich gesundheitlichen Vorteilen, die es mit sich bringt, wenn man sich wohlwollend um andere kümmert. Hemmungsloser Support also? Why not?!
Am wirkungsvollsten wird Support, wenn er Einzug hält in die Strukturen und Prozesse, wie beim Subsidiaritätsprinzip oder soziale Sicherheitsnetzen, aber auch jeder einzelne kann mit einer punktuellen Hilfe Aufbau und Aufschwung betreiben, und nicht selten nehmen sich andere ein Beispiel, folgt auf den ersten Schritt ein zweiter und dritter und manchmal entwickelt sich sogar aus genau diesen einzelnen Ansätzen eine strukturelle Veränderung.
Und damit zu einer nicht-hierarchischen Auflistung von Best-Practice-Beispielen für Support, die verwundern und aufhorchen lassen und im besten Sinne in-spirieren, uns also mit dem Support-Geist in Kontakt und hoffentlich ins Tun bringen. Wohlan!
1. Beispiel: Female Support in Kyoto, Japan
„Especially while I have been sick, the smartphone has become very important to me. It is my connection to the outside world. The days following chemotherapy my body feels drained and I cannot leave the house. During that time if I receive a Line message or sticker from my friend I feel uplifted.“
2. Beispiel: Patient Peer Support
Menschen, die an einer Krankheit leiden, sind per se ersteinmal Empfangende von Hilfeleistungen und Rücksichtsnahme. Sie müssen behandelt und versorgt werden, beraten und unterstützt, und gegebenenfalls sogar untergebracht. Bei chronisch erkrankten gilt dies lebenslänglich. Gerade für diese Menschen kann es ein Game-Changer sein, aus der Opfer- und Empfangenden-Rolle in die Rolle des Unterstützenden zu wechseln und mit ihrer Expertise anderen Menschen zu helfen. Dabei kommt ihnen Erfahrungswissen zu Gute: Sie wissen, wie sich eine Krankheit tatsächlich für die Betroffenen darstellt, was sie im Alltag mit sich bringt und verstehen andere Erkrankte mit wenigen Worten. Gerade im Peer Support, in Patientenorganisationen und Selbsthilfe-Gruppen etwa, lässt sich das in unterschiedlichen Formaten erfahren und bringt dabei noch ein gutes Gefühl mit sich: Nicht alleine zu sein mit einer (vermeintlich) unfairen und unüberwindbaren Einschränkung und damit Teil einer Gruppe und nicht außen vor, siehe z.B. diese Studie hier. Dieses Gefühl kennt auch jeder, der sich einmal in einer Gruppentherapie, oder mithilfe einer Gruppe dem Alkohol-, ungeliebten Kilos oder Zigaretten Adieu zu sagen vermochte.
3. Stadt und Nachbarschaft als gemeinsam gestalteter Lebens- und Supportraum
Es geht aber auch ohne Erkrankung. Ein noch so unscheinbarer gemeinsamer Nenner ist oft der nötig Anstoss, und dafür reicht es, in der gleichen Gegend zu wohnen. Nicht umsonst kommt der heute in aller Munde seiende Community-Begriff genau daher: Der amerikanischen Neighbourhood. Ob es um Blumen gießen oder Einkäufe erledigen, Kinder beaufsichtigen oder Bohrmaschine geht, gerade heute erfreuen sich Nachbarschafts-Hilfsnetzwerke digitaler und analoger Art wieder wachsender Beliebtheit. Aufwandsarm, aber im Alltag unendlich nützlich, wenn das Kind alle paar Monate aus der Kleidergröße rausgewachsen ist, das Bein gebrochen und daher der Gang zum Supermarkt plötzlich ein Ding der Unmöglichkeit, oder die Stichsäge nur einmal zum Einsatz kommen würde, dann ist es unendlich praktisch, sich auf eine gewachsene Kultur der Nachbarschafthilfe zurückgreifen zu können und sich gegenseitig zu unterstützen. Wohlwissend, es zahlt sich in Geld nicht sofort aus, aber es tut gut, zu helfen, die Stichsäge im Einsatz und nicht im Keller zu wissen . Und natürlich ist es beruhigend zu wissen, dass man im Notfall auch auf die Hilfe zurückgreifen könnte, auch wenn das häufig eher der unangenehmere Part ist. Stichwort: Hilfe annehmen. Wann lernen wir das endlich? Aber dazu vielleicht im nächsten Artikel 🙂
4. Gewerkschaften und Verbände
Zusammen ist man weniger allein, zusammen tragen sich manche Kosten, ergänzen sich manche Kompetenzen, schultern sich manche Aufgaben leichter oder überhaupt erst. Ein viertes Beispiel für Support sind sicherlich Gewerkschaften und Verbände. Wer in eine Gewerkschaft eintritt, tut dies, um sich sicherer zu fühlen, um Unterstützung zu erfahren, wenn es zu einem Konflikt mit dem Arbeitgeber kommt. Wer einem Verband eintritt, verspricht sich Unterstützung bei der Interessenvertretung, bei der Ausbildung von Nachwuchs, bei Information und Transformation. Fach-Verständnis für Details, eine gemeinsame Agenda und diverse Aufgaben und Anliegen, Probleme und Perspektiven bilden den Kitt, der oft über Jahrzehnte hält. Aber langfristig macht eine Mitgliedschaft natürlich erst dann Sinn für diejenigen, die sich selbst über die eigenen Anliegen hinaus in der Gemeinschaft engagieren, sie sind diejenigen, die Verantwortung übernehmen und die Gemeinschaft prägen.
Ob Stadtviertel oder Verband, betroffen oder nicht, Goethe brachte es auf den Punkt:
„Die Welt ist so leer, wenn man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt, aber hie und da jemand zu wissen, der mit uns übereinstimmt, mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns dieses Erdenrund erst zu einem bewohnten Garten.“
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)